Oct 28, 2007

Scheinfrei (glaube ich)

Am Donnerstag fühlte ich mich nach vielen Jahren mal wieder als das, was ich bin. Student.

Erst traf ich mich mit meinem Freund Vitter in der Mensa und aass billig Studentenfutter und danach hielt ich vor einer Gruppe von Studenten des Grundstudiums ein Referat über meine Auslandspraktika. Referate zu halten ist im Prinzip etwas, was ich immer gern tat. Und da es dabei ja ausserdem um mich ging und um das, was ich während der Praktika tat, war es auch ein recht einfaches Unterfangen. Somit sollte ich nun restlos scheinfrei sein.

Ich habe hier auch gerade einen Leistungsnachweis rumliegen, auf dem steht, was für Scheine ich so im Hauptstudium machte. Das waren diese hier:

1. Hauptpraktikum (Berufspraktisches Studiensemester)
2. Energietechnik / Konventionelle Energieerzeugung und Regenerative Energien
3. Kernphysik / Strahlenschutz
4. Kernphysik / Strahlenschutz Praktikum
5. Röntgentechnik 1
6. Regelungstechnik
7. Regelungstechnik Praktikum
8. Abwassertechnik
9. Abwassertechnik Praktikum (Lustzufuhr)
10. Abfallwirtschaft
11. Luftreinhaltung
12. Luftreinhaltung Praktikum
13. Biochemie
14. Analytische Chemie
15. Analytische Chemie 1 Praktikum
16. Biologie
17. Hygiene
18. Ökologie
19. Seminar zum berufspraktischem Studiensemester
20. Referat zum berufspraktischem Studiensemester
21. Kostenrechnung
22. Arbeits-, Umwelt-, Verwaltungsrecht
23. Akustik / Schallschutz 1
24. Akustik / Schallschutz 1 Praktikum
25. Umweltverfahrenstechnik
26. Umweltverfahrenstechnik Praktikum
27. Rationeller Energieeinsatz
28. Rationeller Energieeinsatz Praktikum
29. Learning by doing Project
30. Toxikologie (Medizintechnik)
31. Mikrobiologie (Medizintechnik)
32. Klinische Radiologie (Medizintechnik)
33. Methodisches Konstruieren
34. Röntgentechnik 2
35. Röntgentechnik 2 Praktikum
36. Radiochemie
37. Radiochemie Praktikum
38. Akustik / Schallschutz 2
39. Akustik / Schallschutz 2 Praktikum
40. Arbeitsmedizin
41. Arbeitssicherheit 2
42. Rhetorik (Chemieingenieurwesen)
43. Arbeitssicherheit 1 (Chemieingenieurwesen)
44. Planung und Durchführung der Ausbildung
45. Grundfragen Berufsausbildung und Rechtsgrundlagen für Ausbildung

Und das Diplom kriegen wir auch noch irgendwie rum.

Ich gucke seit einigen Stunden nebenbei die zweite EVA auf NASA-TV. Coole Typen sind das da oben. Sie fallen mit 28.000km/h beständig an der Erde vorbei, halten sich dabei lediglich einhändig an der ISS fest, die dasselbe tut (fallen, nicht festhalten) und arbeiten konzentriert mit irgendwelchen widerspenstigen Fummelsteckern, die von meinem Standpunkt aus wie Fehlkonstruktionen aussehen. Ich habe den Eindruck, gesehen zu haben, dass Tani zwei Hände brauchte um so einen Stecker auf sein Gegenstück raufzustöpseln (des Steckers, nicht Tanis). Hat denn niemand darüber nachgedacht, dass man sich in der Schwerelosigkeit festhalten muss um Druck gegen die Station auszuüben? Bei meinem Physikverständnis gehe ich sonst nämlich davon aus, dass man sich andererseits selbst von der Station wegdrückt Da müssen Klippverbindungen her, die man mit einer Hand bedieen kann.....aber wahrscheinlich habe ich vorhin bloss nicht richtig hingeguckt.
Aber darauf wollte ich eh gar nicht hinaus - die Typen haben da oben Nerven, Witze zu machen. Das finde ich cool. "Don't drop it" hörte ich Parazynski sagen, als Fräulein Wilson das Solarsegel mit dem Robotoarm hin und her manövrierte.
Da fällt mir auch eine Landung des Shuttel ein (ich glaube, es war STS-121 oder die der Vorgängermission): etwa eine Minute vor dem Aufsetzen sagte ein Mensch in der Bodenstation, dass er windbedingt einen Anflug aus entgegengesetzter Richtung besser fände. Der Pilot meinte einfach nur "ok".
Das muss man sich mal vorstellen: er kommt nach 11 Tagen aus dem Orbit, hat tierische Lust auf ein Steak und ein Bier, ist seit einer Stunde im Dauerstress um sein antriebsloses Fluggefährt ja auf Kurs zu halten, hat es fast geschafft, die Landebahn schon vor sich, und da kommt sowas. "ok" - coole Typen.
Über den Sinn und Unsinn der bemannten Raumfahrt mag man streiten können, doch dass NASA und ESA schon echt ein paar freaks am Start haben, das ist wohl unumstritten. Da brauch man sich auch nur mal deren Lebensläufe in der wikipedia anzusehen.

Ja, und wo wir schon beim Thema NASA-TV sind. Was ich immer wieder gern sehe und absolut empfehlen kann, ist die live-Übertragung der Landung. Man hört den Funkverkehr und sieht dabei auf einer Karte, wo sich der Orbiter gerade befindet. Ausserdem berichtet die bezauberne "Voice" von Mission Control Houston von Flughöhe, Geschwindigkeit und Eintrittswinkel, und zum Schluss, da ist das hammergeilste Geräusch zu hören, wenn der Shuttle über die an der Landebahn aufgestellten Mikrofone hinwegrauscht. wWUSCHhhhh

So, nun sind die beiden Menschen auch wieder im Innern der Station. Dann geh ich mal wieder an die Arbeit....

Oct 9, 2007

Die Vermessung der Welt

Guten Tag allerseits,
nein, ich bin nicht totgestorben - ich aktualisiere diese Internetpräsens lediglich deshalb nicht mehr, weil ich schlichtweg nichts erlebe. In letzter Zeit war es sogar ganz extrem, denn den ganzen September lang lernte ich für die letzte noch ausstehende Prüfung meines Studiums - meine erste Prüfung nach sechs Jahren - und verliess dementsprechend selten mein Kämmerlein in eine andere Richtung als der zum Büro.
Freizeitmässig tat ich das (abgesehen von einem Kurzbesuch über ein Septemberwochenende zur Lisa) eigentlich nur während der vergangenen Samstage und Sonntage je einmal um einen oder zwei Milchkaffee beim Bäcker um die Ecke trinken zu gehen, und selbst dorthin nahm ich mein Abfallbuch mit.

Genau, um das Fach Abfallwirtschaft ging es bei der Prüfung nämlich, und ich habe sie bestanden. Ganz gut sogar. Leider war die (mündliche) Prüfung jedoch nur 30 Minuten lang, so dass bloss ein Bruchteil dieses doch recht komplexen Themas angesprochen wurde. Eine längere Prüfung, eventuell auch schriftlich, wäre mir wohl eher gelegen gekommen, doch bin ich prinzipiell dankbar, das mein Profssor mir es überhaupt ermöglichte, die Prüfung abzulegen, ohne nochmal ein Semester lang an den Vorlesungen teilnehmen zu müssen. Ich mag diesen Menschen. Er ist kritisch, ziemlich fordernd aber absolut fair und legt die Karten offen auf den Tisch - zumindest gibt er einem das Gefühl. Während einer Vorlesung sagte er vor einigen Jahren mal, dass es ihm schwerfalle objektiv zu sein, wenn er einen Studenten nicht mag. Das ist absolut menschlich und geht allen Leuten so, doch würden es die wenigsten zugeben. Hat mir sehr gefallen, obwohl ich damals eigentlich davon ausging, dass ich eher in die Kategoie der unbeliebten Studenten falle. Dieses Gefühl habe ich jetzt aber nicht mehr.

Obwohl ich es zu Beginn meiner Prüfungsvorbereitungen für unmöglich hielt, habe ich den erwähnten, etwa 700 Seiten umfassenden Schmöker doch recht vollständig gelernt. Lediglich einige der Verfahren zur chemischen Sondermüllbehandlung, sowie einen Teil des Kapitels über die Vermeidung produktionsspezifischer Abfälle liess ich aus, denn dort handelte es sich um dermassen konkrete Anwendungen, dass ich schon mit dem Verständnis der Worte Probleme hatte. Und da ich mich eh für einen Chemielegastheniker halte, investierte ich die so gewonnene Zeit für weniger spezifische Anwendungsfälle als etwa die "Oxichlorierung zur Erzeugung von Vinylchlorid aus Ethylen" oder die "Pyrosulfolyse des Ofenausbruchs aus der Aluminiumherstellung".

Ganz ohne Auswendiglernen kam ich zwar nicht aus, doch konzentrierte ich mich hauptsächlich auf das Verständnis der Konzepte. An die verfahrenstechnischen Grundlagen konnte ich mich zum Glück noch ganz gut aus früherer Zeit erinnern und auch meine Arbeit in Spanien, wo wir Projekte für Kompostierungsanlagen erstellten, half mir einen guten Batzen weiter.
Letztendlich hatte ich mir das Buch zweieinhalbmal durchgelesen und dabei etwa einen halben Collegeblock vollgeschrieben. Besorgniserregend fand ich es immer dann, wenn mir etwas auch beim dritten Mal Lesen immernoch neu vorkam, doch am vorletzten Tag hatte ich dann plötzlich das Gefühl wirklich umfassend bescheidzuwissen.

Während der Prüfung wollte der Prof. übrigens nicht nur Wissen, bzw. Gelerntes abfragen und angewendet sehen, sondern er fragte mich auch nach meiner Meinung über Sachverhalte. Ich sollte mich für einen Anwendungsfall z.B. zwischen einer Mechanisch-Biologischen-Abfallbehandlungsanlage und einer Müllverbrennungsanlage entscheiden. Das irritierte mich (leider) und ich wägte hin und her um möglichst viele Fürs und Widers auszuleuchten, obwohl die Entscheidung für mich ganz einfach war. Ich tendiere im Gegensatz zur Bevölkerung ganz klar zur Müllvebrennungsanlage, doch wollte ich das nicht einfach so gerade heraus sagen .... und das war gewiss nicht gut. Der Prof. will Klarheit und wenn man gute Argumente hat, dann kann man bei ihm glaube ich jegliche Meinung vertreten. Er will keine Anbiederung. Und das finde ich sehr gut. Und so sollte es sein. Da ich gerade bei jenem Thema genug Argumente hatte, hätte ich gerade heraus MVA sagen sollen und auf eventuelle Nachfragen die Begründung und nicht "Eigentlich MVA, jedoch im Anbetracht blablabla..." Wir sind schliesslich Ingenieure und keine Politiker.

Wie gehts nun weiter?
Morgen rufe ich nochmal an der FH an, um mir einen Termin für die allerletzte Sache zu besorgen, die vor dem Diplom erledigt werden muss. Da habe ich nämlich noch ein Referat über meine Praxissemester zu halten. Sollte das bis Ende Oktober klappen, so könnte ich die Diplomarbeit zum 01.11. anmelden. Doch während ich an der Ausarbeitung des Referats sitze wird es wohl auch dabei bleiben, dass ich nichts Erwähnenswertes erlebe. Und danach geht es dann an den eigentlichen Diplomstress mit all der Schreiberei und so.
Ein paar Lichtpunkte gibt es jedoch schon:
am Freitag fliege ich zum Beispiel abermals übers WE runter um Lisas Geburtstag mitzufeiern über Silvester ebenso und auch sie kommt mich noch zweimal bis dahin besuchen. Dreimal eigenlich sogar, denn Weihnachten und Silvester haben wir uns so zurechtgelegt, dass sie erst kommt, wir dann gemeinsam runterfliegen und ich dann allein wiederkehre.
Wenn ich dann aber irgendwann ein richtiger Ingenieur sein sollte - so zu Beginn des nächsten Jahres - und falls ich meinen Wohnsitz dann wieder in die Sonne verlegen sollte - dann werde ich auch wieder versuchen den einen oder anderen Ausflug zu unternehmen.

Und was hat das alles mit dem Titel des Posts zu tun?

Eigentlich wollte ich was ganz anderes schreiben. Wäre aber auch nicht interessanter gewesen.